Tabuthema Trauer
- Alina
- 13. Sept. 2020
- 3 Min. Lesezeit
Jeder, der einen nahestehenden Menschen verloren hat, kennt das Gefühl dieser tiefen Trauer, die einen belagern und völlig aus dem normalen Alltag reißen kann. Für manche ist es so schlimm, dass sie nicht mehr in ihr Leben reinfinden, unabhängig von der Zeit, die seit dem Tod vergangen ist. Manche brauchen wenige Monate, um mit dem Tod abzuschließen, andere wiederum finden nach Jahren noch immer keinen Rhythmus zur Verarbeitung.
Doch egal, wie lange es her ist, es ist und bleibt für Außenstehende ein Thema, mit dem die Mehrheit nicht richtig umgehen kann.
Freunde sind verunsichert, ob man das Thema Trauer überhaupt ansprechen darf, ohne den Hinterbliebenen zu verletzen. Kollegen oder Schulkameraden versuchen krampfhaft, das Thema ganz zu übergehen. Sollte es doch irgendwie in den Fokus des Gespräches kommen, werden Witze oder Blödeleien gemacht, um das Thema sofort zu wechseln, um die allgemeine Stimmung zu heben. Selbst Familienangehörige wissen nicht, was sie sagen oder sich verhalten sollen.
Aber warum ist das so? Warum ist der Tod und alles, was er mit sich bringt, noch immer ein Tabuthema, welches komplett vermieden wird?
Eine These, die ich mir selbst auslege: Jeder Mensch ist anders.
Jeder hat anders stark ausgeprägte Emotionen, eine individuelle Bindung zum Verstorbenen und seine ganz eigene Art, mit dem Prozess der Trauer umzugehen.
Zudem können die Personen, die diesen Verlustschmerz in dem riesigen Ausmaß noch nie zuvor empfunden haben, das Gefühl nicht nachempfinden. Dafür reicht die Vorstellungskraft nicht aus. Sie kommen schlichtweg an ihre Grenzen in Sachen Empathie.
Ich habe meine eigenen Erfahrungen gemacht und muss sagen, dass es mir persönlich sehr geholfen hat, darüber zu reden. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich den Todestag meines Vaters von morgens bis hin zur Beerdigung wiedergegeben habe. Viele Details, wer wann anrief oder wann wir wohin gefahren sind, haben sich dadurch eingebrannt. Trotz des Schocks der ersten Tage kann ich mich an fast jeden Augenblick des Todestages erinnern. Es hilft mir bei der Verarbeitung, wenn ich die Geschichte immer und immer wieder erzähle. Dabei muss man aufpassen, dass man nicht in einen Strudel von erneut tiefsitzender Trauer und Selbstmitleid gerät. Zwischendurch sollte man seine Lage mit etwas Abstand selbstreflektieren, um die eigene Lage halbwegs realistisch einschätzen zu können.
Da jeder anders ist, kann man nicht davon ausgehen, dass intensive Thematisierung eine allgemeine Lösung ist. Sehr viele wollen erstmal überhaupt nicht reden und schweigen bis zu mehrere Jahre. Natürlich ist auch das nicht gesund für die eigene psychische Gesundheit, aber man kann niemanden vorschreiben, wie er mit der Trauerphase umzugehen hat.
Es ist auf jeden Fall wichtig, auf andere Personen, die mit dem Thema Trauer und Tod bisher nicht in Verbindung gekommen sind, zuzugehen und ihnen genau zu sagen, wie du zu der Sache stehst.
Du möchtest partout nicht über den Tod und deine Gefühle reden? Sag es genau so.
Du möchtest gerne von anderen darauf angesprochen werden? Gib ihnen ein Zeichen, dass sie es dürfen.
Manche möchten einen vielleicht auch in den Arm nehmen, wenn sie sehen, dass es dir gerade nicht gut geht. Du alleine entscheidest, ob du das möchtest oder nicht. Signalisiere es. Es wird deinem Umfeld die Last nehmen, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie sich dich behandeln sollen. Denn das ist die erste Frage, die sich absolut jeder Außenstehende fragt, wenn er oder sie die ersten Male nach dem Tod auf dich trifft.
Im Allgemeinen wird das Thema Tod und Trauer kaum wirklich fokussiert oder in den Medien ausreichend aufgegriffen. Einerseits verständlich, denn wer möchte seinen Zuschauern schon mit einem solchen starken Thema kommen und sie womöglich damit vertreiben? Traurigkeit möchte schließlich niemand verbreiten.
Andererseits ist es nötig. Gerade die jungen Menschen sind durch soziale Medien gut vernetzt und könnten sich über so viele Themen hervorragend informieren, wenn man ihnen die nötige Plattform dafür bieten würde. Das gestaltet sich schwieriger, als man denkt.
Es ist und bleibt kein schönes Thema, das wissen wir alle. Ob man bereits schmerzhafte Erfahrungen sammeln musste oder nicht. Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass der Tod genau so zum Leben dazugehört, wie Tag und Nacht. Es ist essentiell und ist ein wichtiger Bestandteil unseres eigenen Lebens.
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